Das Lied von Mann und Frau

und allen anderen

Eli Eibensteiner
30.12.2020

Wie oft ist uns das nicht schon passiert: Da sitzen wir glücklich und zufrieden an unserem Tisch, vor uns eine (digitale) Zeitung, und während wir in Gedanken sind und gemächlich lesen, schlägt sie plötzlich zu: die gendergerechte Sprache.

Ob als Binnen-I, Gendersternchen, Schrägstrich oder Doppelform – sie pirscht sich an, attackiert uns ohne Vorwarnung und raubt uns Sinn und Verstand!

„Gleichberechtigung gut und schön, aber doch bitte nicht so!“, empören wir uns. Und warum auch nicht? Texte werden lang, umständlich und unästhetisch. Und außerdem: wenn wir das die letzten Jahrhunderte nicht gebraucht haben, warum dann jetzt plötzlich?

Tja, warum fordern diese Feministen eine derartige Verkomplizierung ein? Um es einfach auszudrücken: Sind diese Menschen alles Frauen? Eigentlich hätte ich hier von Feminist*innen reden sollen. Und genau das ist auch der berühmte springende Punkt. Das generische Maskulinum inkludiert zwar (aus rein grammatikalischer Sicht) alle Geschlechter, dennoch denken wir meistens an ein bestimmtes Geschlecht. Je nachdem, wie Sie also über Feminist*innen denken, verknüpfen Sie den Begriff fix mit Frauen (welcher Mann würde sich auch für Frauenrechte interessieren?).

Schreiben wir also von Piloten – so denken wir an Männer.
Schreiben wir aber von Flugbegleitern – so denken wir an Frauen.

Worauf ich hier hinaus will ist Folgendes:
Sprache schafft Realität und Realität manifestiert sich in Sprache.

Schreiben wir also von Kameramännern und –frauen, verknüpfen wir plötzlich beide Geschlechter mitdiesem Beruf. Es können also explizit auch Frauen diesen Beruf ausüben. Durch eine derartige Sprache kommen Frauen vielleicht erst auf die Idee, diesen Beruf auszuüben!

Und das gilt auch umgekehrt. Ist öfter von Kosmetiker*innen die Rede – beispielsweise – verliert diese Berufsgruppe ihr Stigma und wird attraktiver für Männern.

So verschwinden Geschlechterzuordnungen und Chancen, die bislang nur auf dem Papier existieren, eröffnen sich für alle Geschlechter. Und das alles nur, durch eine maximal leichte Unannehmlichkeit, die wir uns schlichtweg nicht gewöhnt sind. Und auch wenn aller Anfang schwer ist, so ist es gut, haben wir endlich damit begonnen!